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Inhaltsverzeichnis
Es gibt diese eine Erinnerung aus meiner Kindheit, die immer wieder auftaucht, wenn ich im Winter ins Gemüseregal schaue: Erbsen im Glas. Blassgrüne Kügelchen, die in Flüssigkeit schwimmen und immer wieder als Beilage auf meinen Teller kamen. Heute greife ich deutlich lieber zum Gefrierfach.
Der Winter stellt jede:n von uns vor die gleiche Frage: Welches Wintergemüse schmeckt im Winter, ist gesund und nahrstoffreich – ohne dabei die Umwelt zu belasten?
Wie sich unsere Essgewohnheiten seit 1950 verändert haben
Die Veränderung unserer Esskultur ist dramatisch. Sie erklärt viel über unser heutiges Winter-Gemüse-Dilemma. Denn unsere Einkaufsgewohnheiten haben sich in den letzten 75 Jahren radikal verschoben – und damit auch der Druck auf regionale Produktion.
Die große Verschiebung: Von Kartoffeln zu Tomaten
Denken wir an das Deutschland der Nachkriegszeit: Kartoffeln waren nicht nur Beilage, sondern Grundnahrungsmittel. 1950 aß jeder Deutsche durchschnittlich 186 Kilogramm Kartoffeln pro Jahr. Heute sind es nur noch 64 Kilogramm – ein Rückgang um 66 Prozent. Kartoffeln verloren ihren Status als Hauptnahrungsmittel und wurden zur Beilage degradiert. Wahrscheinlich aber auch, weil die Leute einfach lieber Pasta und andere Mehlprodukte essen.
Parallel dazu stieg der Gesamtgemüseverbrauch an: von 50 kg (1950er) über 80 kg (1970er) bis zu heute 105 kg pro Kopf und Jahr. Aber nicht alle Gemüsesorten profitieren gleichmäßig. Die Tomate wurde zum absoluten Lieblingsgemüse (Botanisch sowieso eher eine Obstsorte) der Deutschen – mit 27 kg pro Kopf pro Jahr an der Spitze, gefolgt von Paprika (6,5 kg) und Gurken (5 kg).
Gleichzeitig bemerken wir eine wichtige Verschiebung: Während der Gesamtgemüseverbrauch statistisch stieg, essen die Deutschen laut WHO noch zu wenig echte Nährstoffe. Der Grund ist nicht zu wenig Gemüse insgesamt, sondern die falsche Auswahl. Tomaten dominieren unseren Gemüsekonsum (27 kg Tomaten pro Kopf pro Jahr!) – sie besteht aber zu 95% aus Wasser und ist nährstoffarm. Dafür essen wir deutlich seltener die echten Nährstoff-Bomben: Kohl, Karotten, Pastinaken. Die WHO empfiehlt 400g Gemüse täglich, der Durchschnitt liegt bei 287g – ein echtes Defizit, das nicht durch mehr wässrige Tomaten gelöst wird.
Fleisch und Milch: Die überraschende Trendwende
Ein zweiter großer Trend ist bemerkenswert: Der Fleischverbrauch. Nach einem Peak in den 1980ern mit 85 kg pro Kopf ist er heute auf 53 kg gefallen. Das ist nicht einfach eine Mode – es ist eine echte Verhaltensänderung. Der Konsum von Milchrpodukten ist hingegen fast gleich geblieben, aktuell bei 346 kg pro Kopf und Jahr.
Folglich zeigen diese Daten: Unser Essverhalten transformiert sich, aber nicht gleichmäßig. Während wir weniger Fleisch essen, greifen wir nicht automatisch zu heimischem Wintergemüse – stattdessen importieren wir im Winter massiv. Und genau hier beginnt das echte Dilemma für alle, die nachhaltig essen möchten.

Wintergemüse im Dilemma: Lokal beheizt oder international importiert?
Wenn der Dezember kommt und die Supermärkte mit spanischen Tomaten, Paprikas und Gurken geflutet werden, sehen wir eine Auswahl, die es vor 50 Jahren nie gegeben hätte. Gleichzeitig finden sich kaum mehr als ein halbes Dutzend deutsche Wintergemüsesorten im Regal. Das ist kein Zufall – es ist das Resultat eines komplexen wirtschaftlichen und ökologischen Systems.
Das Selbstversorgungsproblem Deutschlands bei Wintergemüse
Die Fakten sind niederschmetternd: Deutschland hat eine Gemüse-Selbstversorgungsquote von nur 37 Prozent. Das bedeutet, dass zwei Drittel des in Deutschland gegessenen Gemüses importiert werden muss. Bei Tomaten ist die Situation katastrophal: gerade einmal 4 Prozent Selbstversorgung.
Deutlich besser sieht es bei regionalem Wintergemüse aus: Weißkohl erreicht 110 Prozent Selbstversorgung (wir exportieren sogar!), Karotten 79 Prozent und Zwiebeln 70 Prozent. Diese Wintergemüse-Sorten sind das Rückgrat eines nachhaltigen deutschen Winters. Kartoffeln sogar 153 Prozent – wir sind hier vollständig selbstversorgt.
Verpackungsfrage: Dose, Glas oder Gefrierfach?
Hier treffen sich persönliche Vorliebe und wissenschaftliche Fakten auf interessante Weise. Die Wahl zwischen Dose, Glas und Gefrierer ist nicht einfach eine Geschmacksfrage – sie ist eine Entscheidung mit echten Konsequenzen für deine Gesundheit und die Umwelt.
Das Dose-Problem: BPA und versteckte Chemikalien
Die Erkenntnisse sind eindeutig. Öko-Test hat bei geschälten Dosentomaten ein systematisches Problem dokumentiert – Bisphenol A (BPA). Diese Chemikalie:
- Löst sich aus der Innenbeschichtung der Dosen
- Wirkt wie ein Hormon im Körper (endokriner Disruptor)
- Ist besonders problematisch bei säurehaltigen Lebensmitteln wie Tomaten
- Gelangt direkt in unser Essen und übergeht die normale Magensäure-Barriere
In allen 18 Dosentomaten des Öko-Tests wurde BPA in erhöhten Konzentrationen gefunden. Nur bei Bio-Tomaten im Glas war dies kein Problem – vorausgesetzt, die Deckel sind unbeschädigt. Das ist wissenschaftlich belegt und sollte ernstgenommen werden.
Unsere taste&stories Kolleg:innen haben das im Mutti Dosentomaten Test ausführlich analysiert. Das Fazit ist eindeutig: Auch die beste Industriemarke wie Mutti kann dieses Grundproblem der Dosenvergiftung nicht lösen. Die Verpackung, nicht die Qualität, ist das Problem.
Glas: Das saubere Material, das aber schwerer ist
Glas hat keine chemischen Stoffe, die in Lebensmittel migrieren können. Das ist sein großer Vorteil. Der Nachteil: Glas ist schwerer, verursacht also mehr Transport-CO2 als Dosen oder Verbundkartons. Ein Kilogramm passierte Tomaten im Glas verursacht etwa 1,9 kg CO2, während ein Verbundkarton (Tetrapack) nur 1,6 kg CO2 verursacht.
Aber Achtung: Diese Zahlen sind ohne Transport kalkuliert. Wenn wir die gesamte Logistik betrachten, ist der Unterschied zwischen Glas und Dose oft kleiner als gedacht.
Tiefgefroren: Der heimliche Gewinner
Hier passiert etwas Spannendes: Tiefgekühlte Erbsen schneiden in der CO2-Bilanz besser ab als Konserven. Tiefgefrorene Erbsen verursachen etwa 1,2 kg CO2 pro kg Ware, während Dosen-Erbsen 1,7 kg verursachen. Der Grund ist überraschend: Das Einfrieren ist energiemäßig günstiger als das Sterilisieren und Abfüllen in Konserven. Zudem wird Tiefgefrierware oft direkt nach der Ernte verarbeitet, ohne zwischenzeitliche Lagerung.
Noch wichtiger aber: Nährstofflich ist Tiefgefrieren eine Überwinterungsmethode, die natürlich näher an der frischen Ware liegt als alles andere. Wir werden das später noch im Detail sehen.
CO2-Wahrheit: Was wirklich klimafreundlich ist
Jetzt kommt die unbequeme Wahrheit, die viele Ratgeber ignorieren: „Regional“ und „klimafreundlich“ sind nicht automatisch synonyme Begriffe. Besonders nicht im Winter in Mitteleuropa. Demnach müssen wir hier differenzieren.
Die überraschenden Zahlen
Lassen wir Zahlen sprechen (alle Angaben in kg CO2 pro kg Ware, inklusive Transport wo relevant):
Wintergemüse aus Nordeuropa (regional, saisonal):
- Karotten: 0,1 kg CO2/kg
- Weißkohl: 0,1 kg CO2/kg
- Zwiebeln: 0,2 kg CO2/kg
- Pastinaken: 0,15 kg CO2/kg
Wintergemüse und Tomaten im Winter:
- Saisonale Freiland-Tomate (Mai-Oktober): 0,3 kg CO2/kg
- Spanische Winter-Tomate aus Almería (unbeheizter Folientunnel, inklusive Transport): 0,4 kg CO2/kg
- Nordeuropäische Tomate aus beheiztem Glasgewächshaus im Winter: 2,9 kg CO2/kg
Das ist die zentrale Erkenntnis: Eine nach Deutschland transportierte spanische Tomate aus einem unbeheizten Folientunnel hat eine bessere CO2-Bilanz als eine lokal beheizte deutsche Tomate. Der Transport nach Deutschland (etwa 2.700 km) verursacht zwar Emissionen, aber deutlich weniger als die Heizung eines deutschen Wintergewächshauses. Folglich ist „lokal“ nicht automatisch „grün“.
Die Niederländische Alternative und Hochtech-Gewächshäuser
In den Niederlanden sieht es anders aus. Hochmoderne Gewächshäuser mit Geothermie, LED-Lichttechnik und Wasserwärmerückgewinnung ermöglichen eine deutlich bessere Bilanz als traditionelle Heizgewächshäuser. Manche niederländische Betriebe erreichen CO2-Werte von 0,6-1,5 kg CO2/kg für Wintergemüse – aber eben auch deutlich über den 0,1-0,2 kg der regionalen Winterkulturen ohne Beheizung. Zudem brauchen niederländische Hochtech-Gewächshäuser weniger Pestizide, was ökologisch ein Plus ist.
Verarbeitete Tomaten: Dose vs. Glas vs. Karton
Hier nochmal die genauen Werte für verarbeitete Wintergemüse-Produkte:
- Passierte Tomaten (Verbundkarton): 1,6 kg CO2/kg
- Passierte Tomaten (Dose): 1,8 kg CO2/kg
- Passierte Tomaten (Glas): 1,9 kg CO2/kg
Der Unterschied ist kleiner als die meisten Ratgeber denken. Die Verarbeitung (Kochen, Passieren, Abfüllung) macht den größten Teil der Emissionen aus, nicht die Verpackung.
Tiefgefrieren: Die überraschend gute Bilanz
- Tiefgefrorene Erbsen: 1,2 kg CO2/kg
- Frische Erbsen (saisonal): 0,4 kg CO2/kg
- Dosen-Erbsen: 1,7 kg CO2/kg
- Glas-Erbsen: 1,7 kg CO2/kg
Das Einfrieren selbst ist energetisch günstiger als Konservierungsprozesse. Und: Tiefgefrierware wird oft direkt nach der Ernte verarbeitet, ohne zwischenzeitliche Lagerung. Das spart Transportwege und Lagerverluste erheblich ein. Trotzdem ist es spannend, dass der CO2-Wert doch dreimal so hoch ist wie bei frischen Erbsen.
Nährstoffvergleich: Frisch, gefroren oder konserviert?
Hier dreht sich vieles, was wir dachten, zu wissen, um. Tiefgefrorenes Gemüse ist nährstoffreicher als viele glauben.
Das Erbsen-Experiment: 94 % vs. 5 %
Ein faszinierendes Beispiel aus der Nährstoffforschung: Erbsen. Wenn wir sie direkt nach der Ernte kochen, enthalten sie 100 % ihres natürlichen Vitamin C. Tiefgefrorene Erbsen (12 Monate bei -18°C gelagert, dann gekocht) enthalten immer noch 94 % des Vitamin C. Die Flavonoide wie Quercetin und Kämpferol bleiben zu 87-88 % erhalten.
Aber Dosen- oder Glas-Erbsen? Sie enthalten nur noch 5 % des ursprünglichen Vitamin C und 36-41 % der Flavonoide. Der Grund ist das Sterilisierungsverfahren (Hochtemperatur-Pasteurisierung), das wasserlösliche Vitamine zerstört. Das ist kein Marketing-Spin – es ist reine Biochemie.
Warum Gefrieren besser ist als Erhitzen
Das Geheimnis liegt in der Schnelligkeit. Tiefgefrorenes Gemüse wird Stunden nach der Ernte blanchiert und tiefgefroren. Dabei werden nur die Oberflächenzellen durch die Hitze geschädigt, das Innere bleibt vitaminreich. Die Tiefkühllagerung bei -18°C verlangsamt dann biochemische Prozesse massiv und erhält die Nährstoffstruktur.
Dosengemüse hingegen wird mehrfach erhitzt (zum Blanchieren, zum Sterilisieren), wodurch wasserlösliche Vitamine und temperaturempfindliche Polyphenole verloren gehen. Der Unterschied ist dramatisch.
Brokkoli, Blumenkohl und andere grüne Wintergemüse-Sorten
Tiefgefroren behält auch Brokkoli und Blumenkohl ihre Nährstoffstruktur besser als Konserven. Die Ballaststoffe, Mineralstoffe und Chlorophyll bleiben unter Tiefkühlung stabiler. Das macht Tiefgefrieren zu einer wissenschaftlich überlegenen Option für die meisten Wintergemüsesorten.
Versiegelung und Ökologie: Das Gewächshaus-Problem
Jetzt zu einem Aspekt, der in Nachhaltigkeits-Diskussionen oft untergeht: Flächenversiegelung und Ökosysteme. Die ökologischen Kosten von Wintergemüse-Produktion sind vielfältig.

Almería: Die weiße Landschaft und ihre Folgen
Die Gewächshäuser von Almería in Spanien bedecken etwa 350 Quadratkilometer. Das klingt nach wenig im Vergleich zu Spaniens Gesamtfläche, aber lokal ist es dramatisch. Die Region ist bereits eine der trockensten Europas, und die Grundwasserreserven sind kritisch. Hinzu kommt: Die Böden unter den Folien sind für Jahrzehnte versiegelt. Zudem gibt es ein konkretes ökologisches Problem: Unter Folientunneln und Glashäusern gibt es kein wildes Leben. Vögel finden keine Nistplätze, Insekten keinen Lebensraum.
Während Almería zu 40 Prozent aus Naturschutzgebieten besteht, sind diese Flächen de facto isoliert – umzingelt von undurchdringlichen Plastikwäldern. Ein paralleles Problem gibt es auch bei deutschem Spargel. Etwa 95 Prozent des deutschen Spargels wächst unter Folie. Die NABU hat Klage gegen Folienanbau in Schutzgebieten eingereicht, denn: Folie versiegelt den Boden, schafft ein künstliches Mikroklima, das Vögel und Insekten vertreibt. Das widerspricht dem Sinn von Schutzgebieten fundamental.
Die überraschende positive Seite: Almería und der Albedo-Effekt
Aber hier wird es interessant: Die neuesten Forschungen zeigen, dass die weißen Gewächshausfolien in Almería tatsächlich einen kühlenden Effekt haben. Das Kalziumkarbonat, das in die Folie eingearbeitet ist, reflektiert Sonnenlicht zurück (sogenannter Albedo-Effekt). Messungen der Universität Almería zeigen, dass die durchschnittliche Temperatur in der Region um -0,30°C pro Jahrzehnt gesunken ist – während weltweit die Temperaturen stiegen.
Auf jedem Hektar Almería-Gewächshäuser werden 8-10 Tonnen CO2 pro Jahr gebunden. Die Fläche versiegelt zwar ökologisch, aber sie trägt zur Abkühlungswirkung bei. Das ist ein ethisches Dilemma ohne einfache Antwort. Trotzdem kann ich mir nicht vorstellen, dass es eine Lösung sein kann, die Welt mit weißer Folie zu bedecken, um das Sonnenlicht zu reflektieren.
Nordeuropa und Versiegelung: Die Niederländer und das Hochtech-Modell
Die Niederlande haben ein anderes Problem. Die Glasgewächshäuser sind technologisch hochmodern, aber flächenmäßig auch beträchtlich. Sie versiegeln Boden zwar weniger permanent (Glashäuser können abgebaut werden), aber der Flächeneinsatz pro Tomate ist dadurch nicht kleiner.
Ein überraschender Punkt: Niederländische Hochtech-Gewächshäuser brauchen weniger Pestizide. Durch vollständige Klimakontrolle können integrierte Schädlingsbekämpfungsmethoden eingesetzt werden. Das ist ökologisch ein Plus.
Der praktische Ansatz: Folientunnel vs. Heizgewächshäuser – Recycling macht den Unterschied
Neue Entwicklungen bei Recycling zeigen: Bis zu 90 Prozent der Folienmaterialien können inzwischen recycelt werden. Das macht Folientunnelanbau zukunftssicherer. Allerdings zeigen viele Berichte, dass die Folien aktuell massenhaft in der Gegend rumliegt und überhaupt nicht fachgerecht entsorgt oder gar recycelt wird.
Alte Sorten, neuer Genuss: Warum Geschmack und Qualität zusammenhängen
Ein unterbelichtetes Thema: Alte Gemüsesorten haben nicht nur besseren Geschmack, sie haben auch höhere Nährstoffkonzentrationen. Das ist wissenschaftlich dokumentiert und sollte Grund genug sein, sie neu zu entdecken.
Die Nährstoff-Realität moderner Hochertragssorten
Die Tomaten, die wir heute in spanischen Gewächshäusern essen, sind auf Robustheit, Haltbarkeit und Ertrag optimiert. Sie sind perfekt für Transport und Lagerung. Aber nicht für Nährstoffdichte oder Aroma. Das hat eine botanische Erklärung: Die Züchtung auf hohe Wasserspeicherung (damit sie transporttauglich sind) hat die Polyphenol-Konzentration und das Aroma verdünnt.
Alte Sorten wie die legendäre San Marzano oder regionale Varianten wie die Ochsenherztomate haben niedrigere Wasserbaustellen und höhere Konzentration an Geschmacksstoffen und Antioxidantien. Der Trade-off ist: Sie sind weniger transportabel. Aber für lokalen Genuss sind sie überlegen.
Wintergemüse und Nährstoffdichte bei alten Sorten
Das gleiche gilt für Wintergemüse. Alte Möhrensorten haben nachweislich 40 Prozent mehr Beta-Carotin als moderne Hochertragsmöhren. Alte Kohlsorten bringen größere Nährstoffvielfalt. Das ist ein Punkt, den es zu beachten gilt, wenn du beim Markt einkaufen gehst.
Pastinaken sind ein Paradebeispiel: Dieses Wurzelgemüse war bis ins 20. Jahrhundert eine Hauptnahrungsquelle in Deutschland. Mit der Kartoffel-Revolution wurde es verdrängt. Aber: Sie hat etwa 7 g Ballaststoffe pro 100 g, enthält wertvolles Inulin für die Darmflora und hat ein subtiles, zuckriges Aroma. Alte Pastinaken-Sorten sind nährstoffreicher.
Spargel und alte Sorten – ein Rückblick
Das gleiche zeigt sich bei Spargel. Züchter entdecken inzwischen alte Sorten wie die Huchel-Varianten neu. Diese Sorten haben:
- Komplexere Aromen (nicht nur cremig, sondern nussig und süßlich)
- Bessere Konsistenz (weniger „gummig“)
- Höhere Nährstoffdichte
Praktischer Ratgeber: Die besten Wintergemüsesorten für Klimabilanz und Geschmack
Nachdem wir all diese Daten analysiert haben, ergibt sich ein klares Handeln für deine Wintergemüse-Einkäufe:
Die Wintergemüse-Champions (Nordeuropäisches Basisgemüse)
Diese Wintergemüse-Sorten sollten im Winter die Basis deines Einkaufs bilden:
Karotten: 0,1 kg CO2/kg, hohe Nährstoffdichte, lagerbar bis März, günstig. Bevorzugt regionale Bio-Varianten mit alten Sorten-Eigenschaften.
Weißkahl/Rotkahl: 0,1 kg CO2/kg, unbegrenzte Lagerfähigkeit, reich an Vitamin C und Glucosinolaten (krebsschützende Stoffe), das günstigste Gemüse mit der besten Klimabilanz überhaupt.
Zwiebeln: 0,2 kg CO2/kg, monatelang lagerfähig, antibakteriell, reich an Quercetin (Antioxidans), universell einsetzbar in der Küche.
Pastinaken: 0,15 kg CO2/kg, süßliches Aroma, wertvolles Inulin für Darmgesundheit, unterschätzt und selten gekauft – aber lohnenswert.
Kartoffeln: 153% Selbstversorgung in Deutschland, lagerbar bis Sommer, nährstoffreich wenn mit Schale gekocht.
Alle diese Wintergemüse-Sorten können regional und saisonal gekauft werden, haben hervorragende Klimabilanzen und sind nährstoffreich. Das ist die perfekte Basis.
Gefriergut: Die heimliche Heiligkeit
Tiefgekühlte Erbsen, Brokkoli, Blumenkohl und Spinat sind nicht die „zweitbeste“ Option. Sie sind wissenschaftlich die bessere Wahl als viele frische Sorten im Winter:
- 94% Vitamin-Erhaltung (vs. 5% bei Konserven)
- CO2-Bilanz 1,2 kg/kg bei Erbsen (besser als Konserven!)
- Praktisch keine Rückstände durch schnelle Verarbeitung
- Lagerbar ohne Zusatzstoffe
Tiefgefroren ist im Winter die intelligente Wahl für nachhaltige und nährstoffreiches Essen.
Markt-Gespräche: Die wichtigste Frage beim Wintergemüse-Einkauf
Die entscheidende Frage beim Einkaufen ist nicht „Wie viel kostet das?“, sondern: „Kommt das aus dem Gewächshaus oder vom freien Feld?“
Regionale Spargel, Salate, Paprika und andere Winter-Sorten sind oft aus beheizten Strukturen. Ein kurzes Gespräch mit dem Verkäufer kann entscheidend sein. Wenn es ungeheizt im Folientunnel gewachsen ist (wie bei manchen italienischen Sorten), ist es immer noch besser als geheizt. Wenn es lokal ungeheizt war – noch besser.
Persönlicher Epilog: Meine Kindheits-Erbsen im Glas? Heute wähle ich bewusst das Gefrierfach – nicht aus Nostalgie-Ablehnung, sondern weil die Wissenschaft zeigt, dass das die bessere Wahl ist. Und wenn ich im Sommer Zeit habe, koche ich meine eigenen Tomaten ein als Sauce Bolognaise zum Beispiel, hält im Glas eingekocht bestimmt 6 Monate.
Weiterführende Artikel auf taste and stories
- Mutti Dosentomaten Test 2025: Sind sie ihr Geld wert? – Warum selbst die beste Dosenmarke ein BPA-Problem hat
- Tomaten – Liebe, Sünde & Gesundheit – Alles über Tomaten-Nährstoffe und Geschmack
- Produzenten-Stories – Erfahre mehr über nachhaltige Erzeugung und alte Sorten
- Spargel alte Sorten
Quellenangaben und wissenschaftliche Belege
Verbrauchsdaten und Statistiken:
- BMEL-Statistik: Versorgung mit Obst, Gemüse und Kartoffeln in Deutschland (2023/24)
- Statista: Pro-Kopf-Konsum von Gemüse Deutschland (2025)
- Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE): Obst- und Gemüsekonsum in Deutschland
CO2-Fußabdruck und Klimabilanz:
- Universität Almería / AAU Vorarlberg: CO2-Bilanz der Tomatenproduktion – Analyse acht verschiedener Anbausysteme
- Universität Almería: Albedo-Effekt und Gewächshausfolien – Forschungen zur Temperaturabsenkung
- VCÖ Austria: Weitgereiste Lebensmittel und Klimabilanz (2018)
- SWR (Deutschlandfunkkultur): Tomatenanbau und CO2-Emissionen
Nährstoffforschung:
- MDPI: Antioxidant Activity in Frozen Plant Foods (2020)
- Deutsches Tiefkühlinstitut: Erntefrische auf Vorrat – Eine Studie zu verschiedenen Gemüsearten (Vitamin C-Gehalt Erbsen: 94% nach 12 Monaten Lagerung)
- Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR): BPA in Lebensmittelverpackungen
Ökologische Aspekte:
- NABU: Spargelanbau und Flächenversiegelung in Schutzgebieten
- Deutschlandfunkkultur: Pestiziditäten in Almería
- Universität Almería / Forschungszentrum: Folienrecycling bis zu 90% Effizienz
Geschmack und alte Sorten:
- SWR: Alte Gemüsesorten und Nährstoffdichte (2025)
- Forschungen zu Nährstoffunterschieden zwischen alten und modernen Sortentypen