
Babenhauser Rotvesen: Ein fast vergessener Dinkel erobert die Arche des Geschmacks
Manchmal sind es die stillen Helden, die uns die besten Geschichten erzählen. Der Babenhauser Rotvesen ist so ein stiller Held – eine Dinkelsorte, die fast in Vergessenheit geraten wäre, hätten nicht engagierte Landwirte und Bäcker in Schwaben beschlossen, ihr eine zweite Chance zu geben. Seit August 2025 ist dieser besondere Dinkel offizieller Passagier der Slow Food Arche des Geschmacks. Zeit, sich diese bemerkenswerte Sorte einmal genauer anzuschauen.
Was macht den Babenhauser Rotvesen so besonders?
Wer schon einmal mit verschiedenen Dinkelsorten experimentiert hat, weiß: Dinkel ist nicht gleich Dinkel. Der Babenhauser Rotvesen unterscheidet sich deutlich von den modernen, hochgezüchteten Sorten, die heute in den meisten Supermärkten landen. Seinen Namen verdankt er übrigens nicht einer rötlichen Farbe der Körner, sondern den charakteristischen rötlichen Grannen – den „Bärten“ der Ähren.
Diese alte Sorte stammt ursprünglich aus der Region um Babenhausen in Schwaben und war dort einst weit verbreitet. Was unsere Vorfahren intuitiv wussten: Der Rotvesen ist ein echter Überlebenskünstler. Auch in höheren Lagen und unter schwierigen Witterungsbedingungen liefert er zuverlässig gute Erträge. Eigenschaften, die in Zeiten des Klimawandels wieder hochaktuell werden.
Ein Mehl mit Charakter
Das Besondere am Babenhauser Rotvesen erschließt sich spätestens beim ersten Backen. Sein Mehl entwickelt ein feines, nussiges Aroma, das deutlich intensiver ist als das von modernen Dinkelsorten. Diesen Unterschied schmeckt man sofort – egal ob im Brot, in schwäbischen Seelen oder in handgemachten Spätzle.
Aber auch für süße Leckereien und sogar für Pizzateig eignet sich der Rotvesen hervorragend. Das liegt an seiner besonderen Proteinzusammensetzung und den Backeigenschaften, die durch jahrhundertelange regionale Anpassung entstanden sind. Es ist ein Mehl, das Geschichten erzählt – von schwäbischen Feldern, von Generationen von Bauern und von einer Zeit, als Regionalität noch selbstverständlich war.
Die Arche des Geschmacks: Ein Rettungsboot für vergessene Sorten
Die Aufnahme in die Slow Food Arche des Geschmacks ist mehr als nur eine Auszeichnung. Es ist ein Statement für Vielfalt und gegen das Vergessen. Die Arche sammelt weltweit Lebensmittel, Nutztierrassen und Kulturpflanzen, die vom Aussterben bedroht sind oder bereits fast verschwunden waren.
Der Babenhauser Rotvesen reiht sich damit ein in eine illustre Gesellschaft von über 5.000 „Passagieren“ weltweit – von der Roten Bete aus Chioggia über das Schwäbisch-Hällische Schwein bis hin zu fast vergessenen Apfelsorten aus dem Alten Land. Jeder Passagier erzählt die Geschichte einer Region, einer Kultur und eines besonderen Geschmacks.
Renaissance dank engagierter Menschen
Dass wir heute wieder Babenhauser Rotvesen backen können, verdanken wir einer Handvoll engagierter Bio-Landwirte, Bäckereien und Initiativen wie der Öko-Modellregion Günztal. Sie haben erkannt, dass in alten Sorten oft Lösungen für heutige Probleme stecken: Klimaresistenz, Geschmacksvielfalt und regionale Identität.
Diese Menschen zeigen, dass Tradition und Innovation Hand in Hand gehen können. Alte Sorten werden mit modernem Wissen über ökologischen Anbau und nachhaltiges Wirtschaften kombiniert. Das Ergebnis: Ein Produkt, das sowohl der Region als auch dem Gaumen zugute kommt.
Wo kann man Babenhauser Rotvesen probieren?
Noch ist der Babenhauser Rotvesen nicht überall erhältlich – was ihn umso besonderer macht. In seiner Heimatregion Schwaben bieten bereits einige Bio-Bäckereien Brote aus diesem besonderen Dinkel an. Auch ausgewählte Hofläden und Mühlen in der Region führen das Mehl im Sortiment.
Wer selbst backen möchte, sollte sich auf ein etwas anderes Verhalten als bei modernem Dinkelmehl einstellen. Alte Sorten haben ihre eigenen Regeln – sie brauchen oft etwas mehr Zeit, belohnen aber mit unvergleichlichem Geschmack.
Mehr als nur ein Getreide
Der Babenhauser Rotvesen ist mehr als nur eine weitere Getreidesorte im Regal. Er ist ein Symbol für das, was wir gewinnen, wenn wir uns wieder für regionale Vielfalt entscheiden. Jedes Brot aus diesem Dinkel ist ein kleiner Beitrag zum Erhalt unserer kulinarischen Kultur und ein Zeichen gegen die Verarmung unserer Geschmackswelt.
In einer Zeit, in der Lebensmittel immer uniformer werden, erinnert uns der Babenhauser Rotvesen daran, dass Vielfalt köstlich ist. Und manchmal braucht es nur Menschen mit Leidenschaft und Weitblick, um fast Vergessenes wieder zum Leben zu erwecken.
Übrigens: Wer mehr über die Unterschiede zwischen alten und modernen Dinkelsorten erfahren möchte, findet in unserem Artikel über Urdinkel weitere spannende Einblicke in die Welt der ursprünglichen Getreidesorten.
Infos und Adressen zum kaufen auf: https://www.slowfood.de/was-wir-tun/projekte-aktionen-und-kampagnen/arche-des-geschmacks/die_arche_passagiere/babenhauser_zuchtvesen