Etwa ein Drittel der Lebensmittel, die jährlich produziert werden, landet im Müll. Das sind die schockierenden Daten aus der Studie „Das große Wegschmeißen“ zur Lebensmittelverschwendung von WWF. Diese Verschwendung steht in krassem Gegensatz zu der Tatsache, dass täglich eine Milliarde Menschen hungern müssen.

1. Aktuelle Fakten und Zahlen zur Lebensmittelverschwendung

Laut WWF werden pro Sekunde 313 Kilogramm genießbare Lebensmittel weggeschmissen, das sind über 18 Millionen Tonnen Nahrungsmittel pro Jahr. Diese riesige Verschwendung ist nicht nur erschütternd, wenn man bedenkt wie viel Hunger damit gestillt werden könnte. Sie hat außerdem beachtliche ökologische Konsequenzen, wie Millionen Tonnen von Treibhausgasemissionen, die unnötigerweise freigesetzt werden.

Wie kann es überhaupt zu so einem Ausmaß an Lebensmittelverschwendung kommen? Ein Teil zumindest dieser Lebensmittelabfälle ist in Folge von Atmungs-, Kühl-, Koch-, Säuberungs-, und Schnittverlusten, inklusive Kochen, unvermeidbar. Über die Hälfte der jährlich verschwendeten Lebensmittel allerdings sind durchaus verwend- und genießbar.
Das größte Veränderungspotenzial liegt dabei beim Endverbraucher – bei uns.

Die Verschwendung fängt allerdings schon auf dem Acker an: So werden insbesondere im Obst- und Gemüsebereich große Mengen des Agrarguts gar nicht erst geerntet. Grund dafür sind Normen und Standards, sowie Qualitätssicherung, aber auch die Tatsache, dass viele Verbraucher nur „schönes“ Gemüse kaufen. Dadurch wird hässliches und krummes Gemüse aussortiert, selbst wenn der Geschmack nicht beeinträchtigt ist.
Ebenso fallen Verluste bei den Nachernte- und Weiterverarbeitungsprozessen durch Schädlingsbefall, Reinigungs- und Schnittverluste an, jedoch ist der Großteil davon unvermeidbar.

Am Ende der Wertschöpfungskette gibt es das größte Potenzial für eine Veränderung. Im Groß- und Einzelhandel beispielsweise liegt das Vermeidungspotenzial bei 90%, denn hier hängt die Verschwendung vor allem mit Konsumentenerwartungen an Frische und Verfügbarkeit, an Optik und Textur der Lebensmittel zusammen. Und auch der Großteil der 7 Millionen Tonnen Verluste, die durch den Endverbraucher durch das große Wegschmeißen generiert werden, könnten vermieden werden.

2. Sollte das Mindesthaltbarkeitsdatum abgeschafft werden?

Diese 7 Millionen Tonnen sind nicht etwa auf Koch- und Schnittverluste zurückzuführen. Als größter Verantwortlicher für diese Zahl ist wohl das Mindesthaltbarkeitsdatum anzusehen. Ein Tag nach diesem panikmachenden Datum und das Lebensmittel wird direkt weggeschmissen – so handeln zumindest viele Deutsche. Dabei ist das Mindesthaltbarkeitsdatum vielmehr eine Garantie für die Qualität und eine Absicherung gegen Beschwerden als ein Verfallsdatum. Viele „abgelaufene“ Nahrungsmittel sind auch noch mehrere Tage bis zu Monate danach noch gesund und lecker.

In Norwegen wurde mittlerweile schon auf die Panik vor abgelaufenen Lebensmitteln reagiert. Seit Januar 2018 gehen mehrere Firmen mit einer einfachen Neuerung gegen die Verschwendung von bedenkenlos genießbarer Nahrung vor. Auf den Verpackungen der Lebensmittel steht nun „Mindestens haltbar bis, aber nicht schlecht nach“.

Auch in Deutschland gibt es Überlegungen, wie man das Problem lösen könnte. So wird diskutiert, ob es neben dem gesetzlich vorgeschriebenen Mindesthaltbarkeitsdatum auch noch ein Verbrauchsverfallsdatum geben sollte, das vor allem auf leicht verderbliche Waren aufgedruckt wird und angibt, wie lange das Produkt wirklich haltbar sein könnte.
Eine weitere Idee wäre die Einführung von intelligenten Verpackungen, die mittels verschiedener Farben anzeigen soll, ob das Lebensmittel verdorben ist. Auch eine gänzliche Abschaffung des Mindesthaltbarkeitsdatums steht zur Diskussion, zumindest für Lebensmittel, die sehr lange haltbar sind wie Nudeln oder Kaffee.
Trotz dieser Überlegungen wurde von der Bundesregierung in Deutschland bisher kaum bis wenig auf dieses Problem eingegangen.

3. Organisationen gegen Lebensmittelverschwendung

Dafür gibt es aber in den letzten Jahren immer mehr Organisationen und Projekte, die sich für mehr Wertschätzung und weniger Verschwendung von Lebensmitteln einsetzen.
Eine der ältesten und bekanntesten Organisationen ist wohl die ehrenamtlich organisierte Internet-Plattform foodsharing.de. Darüber können Personen und Händler einen digitalen Essenskorb mit übrig gebliebene Lebensmitteln erstellen, der dann abgeholt werden kann. Außerdem holen sogenannte Foodsaver überschüssige Lebensmittel von kooperierenden Betrieben und verteilen sie dann. Dabei sind Hackfleisch, rohe Eier, Fisch und andere sensible Lebensmittel von vornherein aus Hygienegründen auf der Plattform tabu.

Ein ähnliches Konzept betreibt auch SirPlus. Mit mehreren verschiedenen Projekten wollen sie aktiv gegen die Lebensmittelverschwendung vorgehen. So unterstützen sie Unternehmen dabei, die ihre überschüssigen, abgelaufenen oder nicht genormten, aber noch genießbaren Lebensmittel vor der Entsorgung zu retten. Dafür haben sie diverse Projekte ins Leben gerufen. Ein Beispiel ist der Rett-O-Mat, ein Snack-Automat, der ausschließlich gerettete Lebensmittel verkauft. Dabei wird sich regelmäßig um die Befüllung und Säuberung gekümmert, sowie sensorisch überprüft, ob die Lebensmittel noch genießbar sind. Ähnlich verläuft es bei dem Rettermarkt in Berlin, in dem man einfach durch den Kauf von Lebensmitteln, selbst zu einem Retter werden kann.
Das soll außerdem eine mentale Veränderung in der Gesellschaft bewirken, sodass Mindesthaltbarkeitsdaten öfter hinterfragt werden. SirPlus hat mittlerweile auch ein Ladengeschäft in Berlin Steglitz.

Eine weitere Aktion im Kampf gegen das sinnlose Wegwerfen ist die App Too Good To Go mit einem überzeugenden Angebot: Über die App kann jeder ganz einfach überproduzierte Lebensmittel von Restaurants, Supermärkten, Bäckereien etc. zu einem reduzierten Preis kaufen und anschließend im Laden abholen. Laut eigenen Angaben konnten durch die App in ganz Europa schon 2,6 Million Mahlzeiten gerettet und damit 6.000 Tonnen CO2 eingespart werden.

Ein weitere Veränderung, die in den Köpfen der Menschen angeregt werden müsste, ist das Kaufen von krummem Gemüse. Auch in dem Sektor gibt es mittlerweile viele Projekte, die zu mehr Wertschätzung von Gemüse und Obst abseits der Norm aufrufen. So beispielsweise der Bio-Lieferdienst etepetete, der Boxen mit krummen Obst und Gemüse liefert, mit dem Motto: Hauptsache es schmeckt ist gesund und frisch.
Vor allem in der Verarbeitung von Obst und Gemüse ist es doch wohl sinnlos auf Schönheit zu achten. Dementsprechend sollten sich mehr Unternehmen ein Beispiel an Georg Thalhammer nehmen, der Kürbispürree zur Weiterverarbeitung aus nicht genormten Kürbissen anbietet.

4. Alltags-Tipps gegen Lebensmittelverschwendung

Eine Option, die wir als Endverbraucher haben, um der Lebensmittelverschwendung entgegenzuwirken ist also das Nutzen der Automaten, Supermärkten und Apps dieser Organisationen. Es gibt allerdings noch viele weitere Möglichkeiten unsere Lebensmittel besser zu nutzen.

Wie schon erwähnt sollten wir dem Mindesthaltbarkeitsdatum nicht unbedingt trauen. Am verlässlichsten ist immer, auf seine Sinne zu vertrauen. Außerdem sollte man vermehrt darauf achten saisonal einzukaufen, da das nicht nur sinnvoll für das Klima und die Umwelt ist. Außerdem halten diese Produkte sich meistens länger und laufen weniger Gefahr beim Transport beschädigt und aussortiert zu werden.

Besonders wichtig ist es, wirklich nur das zu kaufen und zu kochen, was ihr braucht. Und selbst wenn dann mal angebrochene, leicht welke Lebensmittel übrig bleiben, kann man sie ja immer noch kreativ verwerten. In einem Smoothie oder Suppe sehen auch solche Lebensmittel wieder schön aus.

Mit diesen wenigen Tipps könnt ihr schon einiges bewirken. Denn: bei uns, dem Endverbraucher liegt das größte Potenzial, die Lebensmittelverschwendung anzugehen. Also sollten wir das Potenzial auch nutzen!